N. Linder: Die Berner Bankenkrise von 1720 und das Recht

Titel
Die Berner Bankenkrise von 1720 und das Recht. Eine Studie zur Rechts-, Banken- und Finanzgeschichte der Alten Schweiz


Autor(en)
Linder, Nikolaus
Erschienen
Zürich 2004: Schulthess Juristische Medien
Anzahl Seiten
298 S.
Preis
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Niklaus Bartlome

Spätestens seit dem Zusammenbruch der Spar- und Leihkasse Thun im Jahre 1991 und dem Platzen der so genannten «dot.com-Blase» sind uns Vorgänge wieder vertrauter, wie sie Nikolaus Linder in seiner rechtshistorischen Dissertation beschreibt. Zwischen November 1720 und Juni 1721 wurden die Stadtberner Bank Malacrida & Cie. und die von ihr mitbegründete Bank Samuel Müller & Cie. in London zahlungsunfähig. Beide Häuser waren als Depositen- und Leihbanken für die Einwohner Berns tätig gewesen und verwalteten daneben obrigkeitliche Kapitalien in Holland und England. Nachdem die mit dem Namen des Schotten John Law verbundene Spekulationsblase geplatzt war, wurden auch die beiden Banken von der Krise erfasst, die nun von den Zentren Paris und London ausging und bald weite Teile Europas erfasste.

Die spektakulären Ereignisse sind aus Berner Sicht bisher nur selten sowie bloss kursorisch und oberflächlich untersucht worden. Linder rekonstruiert minuziös den Verlauf und die Bewältigung der Krise, wobei er sich zu einem grossen Teil auf ungedruckte Quellen in Bern und London stützt. Dabei wird bald klar, dass im Höhepunkt des spekulativen Börsenbooms nicht nur überlange Kommunikationswege, sondern auch die ungenügende Zahl von eigentlichen Spezialisten Berns Handeln ungünstig beeinflussten. Überzeugend schildert Linder dann die Interessen, Handlungsweisen und Verfl echtungen der verschiedenen Akteure und Gläubigergruppen. Die langjährigen und langwierigen Folgen des Bankzusammenbruchs illustrieren, dass Bern damals für solche Fälle über kein taugliches Konkursrecht verfügte. Das gesetzliche wie auch ein Ad-hoc-Verfahren zur Liquidation der Bank Malacrida liessen sich nicht durchführen. Zur grossen Erleichterung aller Beteiligten übernahm 1722 schliesslich David Gruner das Haus mit allen Aktiven und Passiven, doch kam dieser Auskauf formell erst 1732 zum Abschluss.

Da nicht nur der Staat, sondern auch weite Teile des bernischen Patriziats zu den Gläubigern von Malacrida & Cie. gehörten, führte der Bankrott der Bank zeitweise zu einer Überlastung der politischen Strukturen, und etablierte Verfahren versagten, bevor situatives Verhandeln und Lavieren schliesslich zu Auswegen aus scheinbaren Sackgassen führten. Von den wirtschaftlichen Folgen des Bankrotts war fast ausschliesslich die Bevölkerung der Hauptstadt betroffen. Die privaten Einzelgläubiger verloren eine Summe, die ungefähr den Kosten des Zweiten Villmergerkriegs entsprochen haben soll, doch sind aufgrund der Quellenlage nur wenige Einzelfälle auch konkret fassbar. Da moderne Untersuchungen zum Staatshaushalt fehlen, lässt sich auch der Verlust der Stadt Bern kaum einschätzen.

Linders sorgfältige Studie wird im Anhang durch Kurzbiografi en der wichtigsten Protagonisten und mit dem Abdruck von besonders relevanten Quellenstücken ergänzt. Mittels einer höchst problematischen Umrechnung in heutige Frankenbe träge versucht der Autor – wie viele andere Verfasser – immer wieder die Höhe der zahlreichen Geldbeträge zu verdeutlichen. Gerade bei Laien, für die solche Verfahren gedacht sind, werden damit aber eher falsche Vorstellungen geweckt. Besser geeignet wäre beispielsweise eine Umrechnung in damalige Tages- oder Jahreslöhne. Trotz solcher Bedenken und einzelner Ungenauigkeiten ist Linders Arbeit aber auch für Nichtspezialisten eine leicht lesbare und spannende Lektüre über einen der grössten Finanzskandale des alten Bern.

Zitierweise:
Niklaus Barlome: Rezension zu: Linder, Nikolaus: Die Berner Bankenkrise von 1720 und das Recht. Eine Studie zur Rechts-, Banken- und Finanzgeschichte der Alten Schweiz, Zürich, Schulthess, 2004 (Zürcher Studien zur Rechtsgeschichte, 53), 298 S. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 67, Nr. 1, Bern 2005, S. 75.

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 67, Nr. 1, Bern 2005, S. 75.

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